Martin Schulz einstimmig gewählt

Alt-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld vertrat gemeinsam mit Cem Aydemir den Unterbezirk Mülheim auf dem Berliner Sonderparteitag, der Martin Schulz zum neuen Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten wählte.

Ihre Eindrücke von der Stimmung vor Ort hat sie hier zusammengefasst:

Nein, das ist kein Live-Bericht über den Verlauf des außerordentlichen Bundesparteitages vom 19. März in Berlin. Denn den hat man viel besser auf Phönix verfolgen können. Ich will vielmehr einen Eindruck von Stimmung und Atmosphäre vermitteln. Und nein, das war auch kein inhaltlich gewichtiger, von umfassenden Antragsberatungen geprägter Parteitag. Außerordentlich bedeutsam und wichtig war er aber dennoch.

Von einer „Krönungsmesse“, die inszeniert werden solle, war leicht abwertend vorab in den Medien die Rede. Nein, auch das trifft es nicht, und auch das bis zu diesem Tage einzigartige Phänomen, dass der Vorsitzenden der Bundespartei mit 100 Prozent der Stimmen ins Amt gewählt wurde, rechtfertigt die Formulierung nicht. Nicht zuletzt, weil die NRWSPD die 100 Prozent bei der Wiederwahl ihrer Landesvorsitzenden Hannelore Kraft dieses Ergebnis im Februar schon mal vorgelegt hatte!

Nicht ohne Berechtigung hat die JUSO-Vorsitzende Johanna Uekermann im Rahmen der Aussprache darauf hingewiesen, dass sie sich heute in Berlin an die Erzählungen älterer Genossen und Genossinnen erinnert fühlte, die oft von der „Willy-wählen!“-Kampagne der 70er Jahre und der damals herrschenden Stimmung schwärmten. Ich selbst kann das nur bestätigen, auch ich bin 1974 wegen Willy Brandt in die SPD eingetreten und wurde gleich von dem Sog der Aufbruchstimmung mit dem Genossen „Trend“ erfasst.

Ja, so etwas war heute in Berlin spürbar, und das tut der Partei und dem Land gut. Denn auf einmal ist Politik sogar für junge Menschen wieder eine attraktive Option, sich an der Gestaltung der Zukunft – der eigenen wie der des Landes – aktiv zu beteiligen.

Ja, und es gab auch sehr gute Reden. Sowohl von Hannelore, die den Parteitag eröffnete und den Delegierten ordentlich einheizte, ganz im Sinne der Rede, die sie am 18. Februar in Düsseldorf gehalten hatte. Und es gab die bemerkenswerte Grußbotschaft von Hans-Jochen Vogel und dann eine bewegend stolze Abschiedsrede von Sigmar Gabriel, dem heute die Wertschätzung zuteil wurde, mit der die Partei ihm gegenüber in den sieben Jahre seines Vorsitzes oft knausrig war. Und dann die fast 90-minütige Rede von Martin Schulz, die alle Inhalte zur Sprache brachte, die der deutschen Sozialdemokratie heilig sind und die ihr Wesen ausmachen.

Und so sehe ich die wichtigste Funktion dieses außerordentlichen Bundesparteitages darin, dass alle Reden der SPD Selbstvergewisserung gegeben haben und sämtliche bedeutenden und stolzen Stationen und Persönlichkeiten unserer 153-jährigen Geschichte angemessen gewürdigt wurden. Diese Selbstvergewisserung der SPD als derjenigen politischen Kraft, der man das Land in schwieriger Zeit anvertrauen sollte, weil sie das schon immer getan und geschafft hat, in schwieriger Zeit Verantwortung für Demokratie, Freiheit und Gerechtigkeit zu übernehmen – das ist meiner Meinung nach die wichtigste Botschaft des heutigen Parteitages.

Ja, es trifft wieder zu: Mit dieser SPD im Frühjahr 2017 zieht die bzw. eine neue Zeit! Und dass im Konferenzraum nur eine Farbe herrschte, nämlich unser SPD-Rot, war auch ein wichtiges Zeichen der Selbstbesinnung auf den Kern sozialdemokratischer Fundamentalwerte. Das Herz schlägt frei und links!