Lebhafte Debatte über Freihandelsabkommen

Ein Blick aufs Podium, u.a. mit Arno Klare, Jens Geier, Dagmar Mühlenfeld, Henrike Grewen und Ute Möhlich (v.r.n.l.)

Die Arbeitsgemeinschaften AG60 plus und Jusos der Mülheimer SPD und der Bundestagsabgeordnete Arno Klare hatten unter dem Motto »Für einen Freihandel mit hohen Standards in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz und Daseinsvorsorge« zu einer öffentlichen Podiumsdiskussion zu TTIP in den Bürgergarten eingeladen.

Mit einem für die meisten Gäste überraschenden Statement in seinem Impulsreferat eröffnete der SPD Europaabgeordnete Jens Geier die Diskussion über das Thema TTIP. Aus seiner Sicht werden die Verhandlungen zum Abkommen mit hoher Wahrscheinlichkeit noch vor der Sommerpause ausgesetzt oder gar scheitern. Er machte hierfür vor alle die mangelnde Kompromissbereitschaft der US-amerikanischen Seite in Grundsatzfragen verantwortlich. Für diesen Fall dürften aber die bisher in den Verhandlungen erzielten Fortschritte nicht „In die Tonne“ wandern, sondern sollten Grundlage für eine neue Initiative der Europäer sein. Andernfalls würden sich die Amerikaner noch stärker auf die Pazifikregion konzentrieren, die daraus resultierenden Vereinbarungen dürften aus europäischer Sicht eine reale Verschlechterung der Arbeits- und Sozialstandards in einer globalisierten Welt bedeuten. Europas ureigenes Interesse müsse ein gemeinsam gestalteter Handelsraum mit den USA sein, um die Regeln für einen globalisierten Handel entscheidend mit zu definieren.

Arno Klare schloss sich den Einschätzungen von Jens Geier an. Er sprach von einem „Toten Gaul“ von dem man vermutlich bald absteigen müsse, mahnte aber Besonnenheit in der Debatte an. Das Ende von TTIP sei kein Grund zum Feiern, sondern vielmehr Auftrag sich um eine neues Verfahren zur Harmonisierung der transatlantischen Handelsbeziehungen zu bemühen. Nationaler Protektionismus habe in der Vergangenheit nirgends zu sozialen oder wirtschaftlichen Verbesserungen geführt.

In Ihren Eingangsstatements machten Bettina Cebulla (Verbraucherzentrale NRW) und Henrike Eickholt (Verdi) deutlich, dass die bisherigen Positionen in den Bereichen Verbraucherschutz und Arbeitnehmerrechte zu einer Senkung der bisherigen europäischen und deutschen Standards führen würde. Dies gelte im Übrigen auch für das bereits ausverhandelte Handelsabkommen (CETA) zwischen der EU und Canada.

Ute Möhlig kritisierte als Vertreterin der Bürgerinitiativen vor allem die mangelnde Transparenz und die geplanten Einrichtung von Schiedsgerichten. Die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger müssten ernstgenommen werden, wenn das Vertrauen in Politik und EU nicht weiter beschädigt werden solle.

Jürgen Schnitzmeier von der Mülheim & Business GmbH hob die Bedeutung des Außenhandels für Europa und Deutschland hervor. Betriebe wie Siemens seien auf den Abbau von Handelshemmnissen angewiesen, um auch in Zukunft gerade auf dem amerikanischen Markt weitere Potentiale zu erschießen. Dies ermögliche die langfristige Sicherung von Arbeitsplätzen nicht nur in Europa sondern und auch gerade hier in Mülheim.

Auf dem Podium und im Publikum herrschte nach längerer Diskussion und einem erstellten Meinungsbild mit grünen und roten Karten für Zustimmung oder Ablehnung einhellige Meinung darüber, dass Handelsabkommen im Grunde gerade für uns als Exportnation wichtig und richtig sind. Sie sind das Mittel der Wahl, um die stetig voranschreitende Globalisierung zur gestalten und klare Regeln zu schaffen. Die Wahrung von erreichten Standards in den Bereichen Arbeitnehmerrechte, Verbraucherschutz, Daseinsvorsorge aber auch Rechtssicherheit für Unternehmen die im Ausland investieren müsse hierbei eine feste Grundlage bilden. Zu letzterem machte Jens Geier deutlich, dass für die Sozialdemokraten nicht Schiedsgerichte das Ziel sind, sondern die Einrichtung eines internationalen Handelsgerichtshofs.

In den Abschlussbeiträgen aller Diskutanten wurde deutlich, dass ein Scheitern der Verhandlungen zu TTIP hoch wahrscheinlich scheint. Dies dürfe andererseits aber nicht das Ende der transatlantischen Bemühungen zu einem gemeinsam gestalteten Handelsraum sein. Im nächsten Anlauf sollten die bisherigen Kritikpunkte aufgegriffen und unter breiterer Beteiligung von Gewerkschaften, Sozialverbänden und Bürgern vermittelbare Lösungen gefunden werden. Die Transparenz muss bei einem neuen Anlauf von Anfang an gewährleistet sein, ohne diese seine eine neuerliche Ablehnung durch die Bevölkerung vorauszusehen.