
Der Mülheimer Streit geht um eine weiterführende Schule im Stadtteil Eppinghofen, die bisherige Gemeinschafthauptschule Bruchstraße. Das Kollegium ist nachweislich und von allen anerkannt überaus engagiert. Die Vermittlungsquote in den Lehrstellenmarkt rekordverdächtig. Pläne für eine neue Schule, eine sogenannte Werkstattschule, liegen schon länger in der Schublade. Die Kooperationspartner, Handwerk und Handel, stehen bereit. Doch: Aus der Traum. Die Schule muss weg. Das sagen CDU Kann Landesvorsitzender Röttgen nicht einmal den Polit-Pitbull Hendricks anrufen? FDP Da ist nur der ehemalige Landeschef Prof. Pinkwart auf Zukunftskurs. MBI Die ruft keiner an und Kurs? Na ja. sowie Bündnis ´90/Die Grünen. Letztere sind ein schwieriger Fall. Wenn das kein großer Wurf ist, dann weiß ich´s nicht. So wird Bildungsministerin Löhrmann zitiert, eine grüne Ministerin.
Mülheim hat der große Wurf allerdings verfehlt. Die lokale grüne Schulexpertin, Inge Göricke, spricht als Kollegin der (konkurrienden) Hauptschule Dümpten pro domo und sieht eher die eigene Schule in der neuen Sekundarform. Alle Analysen des Sozialraumes Eppinghofen, alle Erkenntnisse der Sozialwissenschaft, dass man eine Stadt kleinräumig betrachten muss, zählten am Ende nicht. Das bürgerlich-konservative Viererbündnis marschierte durch. Eppinghofen dicht! Aus vorbei! Basta!
Eppinghofen ist ein Sozialraum, dessen Sozialkapital niedrig ist. Die vorliegende detaillierte Sozialberichterstattung belegt, wie wichtig insbesondere in diesem Stadtteil sozial kompensatorische und stabilisierende Bildungseinrichtungen sind. Der Anteil der Kinder mit Sprachauffälligkeit ist mit 40,6% der zweithöchste Wert in Mülheim. Der Index der frühkindlichen Förderung ist mit 1,64 der drittniedrigste in der Stadt. Dieser Stadtteil braucht ein Schulsystem, in dem Lernbiografien von 1 10 Schuljahren kontinuierlich und an einem Ort geschrieben werden können. Es ist nahezu grotesk auf der einen Seite die wachsende Bildungsferne zu beklagen, um dann die Schule im wahrsten Sinne des Wortes in die Ferne zu rücken. Das ist nicht nur bildungspolitisch falsch, das ist ein sozialpolitischer Skandal.
Die von Schwarz-Grün-Gelb-MBI getroffene Entscheidung widerspricht allen sozialwissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie nimmt einem Stadtteil, dessen Verwerfungen zunehmen, die Chancen, vertieft Gräben, verbaut Chancen, beschneidet im Zweifelsfall individuelle Biografien und schadet am langen Ende auch dem Standort Mülheim.
Es hätte nichts verschlagen, wäre man dem Vorschlag der Oberbürgermeisterin gefolgt, ein Moratorium zu beschließen. Mit dem Schulkonsens NRW ist sozusagen eine neue Geschäftsgrundlage geschaffen worden. Die Hauptschule hätte zur Sekundarschule mit Profil Werkstattschule aufgewertet werden können. All das ist jetzt noch nicht einmal auszuloten. Chancen wurden leichtfertig einer allzu durchsichtigen Motivation folgend nicht ergriffen. Man hat sich geweigert, zumindest für ein paar Monate die Entscheidungsuhr anzuhalten. All dies zum Schaden von Eppinghofen und letztendlich zum Schaden der gesamten Stadt.
Arno Klare