Mathias Kocks: Wir wollen die Rückkehr der Pädagogik

Mathias Kocks

Die absurd frühe Aufteilung in ein dreigliedriges Schubladensystem setzt Schüler, Eltern und Lehrer unter Druck. Es ist ein System, das vornehmlich Verlierer produziert. Man muss Fakten zur Kenntnis nehmen: 70% der Schüler, die an einer Gesamtschule Abi machen, hatten am Ende der 4. Klasse keine Gymnasialempfehlung. Der neueste Integrationsbericht der Bundesregierung weist aus, dass 13,5% der Jugendlichen mit Migrationshintergrund die Schule ohne Abschluss verlassen. Diese Gruppe stellt fast 40% der Jugendlichen in unserer Stadt. Eine Untersuchung des Landes NRW zeigt, dass Schüler mit einem Notendurchschnitt von 2,7 oder 2,8 die Berechtigung zum Besuch des Gymnasiums zugesprochen bekommen. Und es gibt Schülerinnen und Schüler, die mit dem gleichen Schnitt aus Sicht der Grundschulen ausschließlich für den Besuch einer Hauptschule geeignet sind. Die Noten allein geben offenbar nicht den Ausschlag. Hierzu sagen uns alle PISA-Untersuchungen, dass in Deutschland die soziale Herkunft über den schulischen Erfolg maßgeblich entscheidet. Es gilt das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Wer nicht hat, dem wird genommen.

Angesichts dieser Fakten ist ein Umsteuern notwendig. Nur längeres gemeinsames Lernen bietet die Chance, dem Faktor soziale Herkunft den fatalen Einfluss zu nehmen. Wir dürfen kein Kind, keinen Jugendlichen zurücklassen. Das sind wir den Schülern schuldig. Das sind wir aber auch dem Standort Mülheim, NRW und Deutschland schuldig. Wir brauchen in Zukunft mehr gut ausgebildete junge Menschen. Keiner denkt daran, Gymnasien abzuschaffen. Vielmehr geht es darum, unsere Schulen weiter zu entwickeln. Unser Land braucht mehr Abiturienten. Das erreichen wir nicht, wenn wir Kinder im zarten Alter von 10 Jahren in Schubladen stecken, aus denen sie nachweislich sehr schwer oder gar nicht wieder rauskommen. Wenn es um die Zukunft unserer Kinder geht, sollten wir nicht auf konservative Ruhe setzen, sondern müssen endlich die Siebenmeilenstiefel anziehen, um das Bildungssystem zukunftsgerecht zu machen. Es ist bedenklich, wenn ein Bildungsdezernent mit rein polemischen Behauptungen in der Öffentlichkeit operiert.