People of the world – look at Berlin!

Barack Obama vor insgesamt fast 250.000 Menschen in Berlin.
Gehört nicht zum offiziellen Obama-Outfit, drückt aber gleichwohl die Erwartung aus.
Gebannt verfolgen die Zuschauer die Rede vor riesigen Video-Wänden, die auf der Straße des 17. Juni aufgereiht waren.

Berlin selbst ist Bühne

Was fiel auf. Es gab keine Bühne, auch keine offizialisierten Obama-Wahlkampf-Devotionalien. Fliegende Händler verkauften hie und da Buttons oder T-Shirts und machten im Nu einen Riesenreibach. Ganze (deutsche) Jugendfangruppen deckten sich ein. Doch zurück zur Bühne. Eigentlich war keine da, nur ein Podest und ein Rednerpult. Nicht wenige, die durch die engmaschigen Sicherheitskontrollen auf das abgesperrete Arreal am Großen Stern strömten, suchten und fanden auf den ersten Blick den Ort nicht, von dem Obama reden sollte. Kulissen waren nicht gebaut. Kulisse war die Stadt Berlin selbst. Ein – wie sich bei der Rede zeigen sollte- dramaturgisches Inszenierungsmeisterstück.

Junge Leute

Es waren verdammt viele junge Leute da. Von soviel Jugend bei politischen Veranstaltungen können hiesige Politigrößen nur Träumen. Schaute man in die Menge und in die Gesichter, es hätte auch ein Musikfestival sein können. Der einfache Überblick vermittelte den Eindruck von 60-70% unter 40, davon ein erklecklicher Teil unter 30.

Mit Kopf und Herz

Die schiere Masse. 215.000 zählte die Polizei. Man stand von der Siegessäule bis zum Brandenburger Tor, vor dem zu sprechen – auf dem Pariser Platz – Barack Obama von der Bundeskanzlerin persönlich verwehrt wurde. Ein Akt, der mit kleinkariert sehr zurückhaltend diplomatisch beschrieben ist. 215.000. Das ist eine Zahl, die man nur noch von den großen Friedensdemos aus den 80er-Jahren kennt oder von ganz großen Gewerkschaftskundgebunden. Ein designierter amerikanischer Präsidentschaftskandidat mobilisiert mit einer Veranstaltung soviele Menschen, wie die Bundeskanzlerin auf einer kompletten Wahlkampftour auf die Beine bringt.

Es waren alle da. Natürlich hörte man viel amerikanisches Englisch. Doch mindestens die Hälfte sprach Deutsch. Obama ist in einer Zeit, in der Politiker immer mehr an Vertrauen verlieren, ein Hoffnungsträger, einer, der herausragt, ein Charismatiker mit großen rhetorischen Fähigkeiten. Und die stellte er eindrucksvoll unter Beweis. Seine Rede war gut komponiert. Die Ghostwriter hatten ganze Arbeit geleistet. Nirgendwo in Europa hätte Obama diese Rede halten können, die zentralen Botschaften vermitteln können.

Die Rede

Ausgehend von der Luftbrücke – „Eine Stadt, die sich nicht unterkriegen lässt.“ – machte er das allseitsbekannte Wort des damaligen und zur Legende gewordenen Regierenden Bürgermeisters Ernst Reuter zum Leitthema. „Völker der Welt, schaut auf diese Stadt.“ People of the world – look at Berlin. Hier hat die Luftbrücke die Freiheit gegenüber dem Kommunismus verteidigt, hier hat man angesichts der Mauer nicht kapituliert. Der Kommunnismus hat nicht obsiegt, die Mauer war nicht von Ewigkeit, sie fiel. Oboma – längst hat er nicht nur die Köpfe, auch die Herzen der Berliner gewonnen – er macht aus dem Beispiel Berlin ein politisches Ziel für die Welt."It is because of these aspirations that all free people – everywhere – became citizens of Berlin. It is in pursuit of these aspirations that a new generation – our generation – must make our mark on the world."
Nämlich alle Mauern einzureißen, die zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Juden und Muslimen, zwischen Arm und Reich. Berlin das Symbol, das alle Gräben von Menschenhand geschaffen auch von Menschenhänden wieder zugeschüttet werden können. People of Berlin – people of the world – this is our moment. This is our time.

Es ist eine porogrammatische Rede, wie angekündigt. Obama geht nicht ins Detail. Das muss er auch nicht. Es wird nicht erwartet. Das Reuter-Zitat – er sagt es in Englisch – ist klug gewählt. Eine ältere Berlinerin hat Tränen in den Augen.

Vieles im politischen Geschäft schien einfacher als bei uns uns. Eine Rundfunkreporterin befragt einen Schwarzen. Warum er heute hier sei. Um Obama zu hören – He ist great. Ob er ihn auch wähle? Sicher. Und warum? Die Reporterin erntet einen eher fragenden Blick: „Look at my face.“ Sie versteht nicht sofort: „What?“ Ein Lachen. „My Colour.“ Und dann die durchaus politische Erklärung: Wir haben 200 Jahre auf die Chance gewartet, dass einer von uns – natürlich ein Demokrat – ins Weiße Haus einziehen kann.

So einfach kann im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf in den USA die Überzeugungsarbeit sein. Weiter hinten hält ein deutscher Fan eine selbstgemalte Pappe hoch: Obama for Bundeskanzler!