Resolution im Rat der Stadt

J. Ohligschläger
Jens Ohligschläger, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der SPD-FRaktion im Rat der Stadt

Am 22. Mai 2007 hat die Landesregierung den „Gesetzentwurf zur frühen Bildung und Förderung von Kindern (Kinderbildungsgesetz)“ verabschiedet und dem Landtag zugeleitet. Endgültig verabschiedet werden soll das Kinderbildungsgesetz im Oktober 2007 und sein Inkrafttreten ist für den 01.08.2008 vorgesehen. Das Kinderbildungsgesetz löst das Gesetz über die Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) ab und schafft veränderte Grundlagen zur Finanzierung und Gestaltung von Kindertageseinrichtungen in NRW.
Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr sieht am vorliegenden Gesetzentwurf dringenden Änderungsbedarf, um negative Auswirkungen auf Kinder, Eltern, Träger und Kommunen zu vermeiden.
Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr fordert daher Landesregierung und Landtag NRW auf, den Gesetzentwurf in 10 zentralen Punkten zu überarbeiten:

1. Die Landesregierung unterstellt in ihrem Gesetzentwurf wider besseren Wissens, dass 19% an den Gesamtbetriebskosten für Kindertageseinrichtungen durch Elternbeiträge erwirtschaftet werden. Tatsächlich liegt das Elternbeitragsaufkommen im Landesdurchschnitt bei 13%. Gleichzeitig hält sie an der Kommunalisierung der Elternbeiträge fest.
Die Landesregierung wird aufgefordert, ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung nachzukommen und landesweit einheitliche Elternbeiträge ohne Mehrbelastung von Eltern im Gesetz aufzunehmen. Darüber hinaus sollte schrittweise die Beitragsfreiheit für den Besuch des Kindergartens vorgesehen werden.

2. Die Landesregierung hat sich von dem in NRW bewährten System einer anteiligen Finanzierung durch Land, Stadt, Träger und Eltern an den realen Personalkosten und Sachkostenpauschalen für Kindertageseinrichtungen verabschiedet. Die Landesregierung wird aufgefordert, die Finanzierung von Kindertageseinrichtung auch zukünftig auf eine solide Basis zu stellen.
Eine Abwälzung von Finanzierungsrisiken auf Träger und Kommunen, wie es der vorliegende Gesetzentwurf mit den so genannten „Kindpauschalen“ als Bemessungsgrundlage für die Finanzierung vorsieht, ist nicht hinnehmbar.

3. Die im Gesetzentwurf enthaltenen Planungsdaten zum Ausbau von Plätzen für unter dreijährige Kinder in Tageseinrichtungen bzw. in Kindertagespflege und zu den Betreuungszeiten (Deckelung) widersprechen dem Anspruch des Gesetzes auf ein Angebot, das sich an Elternbedarfen orientiert. Das Land darf seine finanzielle Beteiligung an Ganztagsangeboten nicht deckeln. Sollte das Land sich – wie geplant – nur an einer Finanzierung beteiligen, wenn ein Anteil von 25% Ganztagsplätzen an der Gesamtplatzzahl unterschritten wird, ist eine bedarfsgerechte Entwicklung nicht gewährleistet. Das Land muss sich auch an Betreuungsangeboten finanziell beteiligen, die über die vorgesehenen max. 45 Stunden hinausgehen. (Je nach örtlichem Angebot: Bereits heute bieten viele Einrichtungen 50 Wochenstunden und mehr an.)

Laut Gesetzentwurf haben sich die Eltern zwischen Betreuungszeiten von 25, 35 und 45 Stunden zu entscheiden. Bislang war für jedes Kindergartenkind, sofern es die Eltern wünschten, der Kindergartenbesuch von 35 Std./Woche ohne die Erhebung eines höheren Elternbeitrages garantiert. Die Nachfrage zeigt, dass eine maximale Betreuung von Kindern bis 45 Stunden pro Woche unzureichend ist. Die Landesregierung wird aufgefordert, das Angebot an Öffnungszeiten entsprechend zu verifizieren und dessen Finanzierung sicherzustellen.

Der Gesetzentwurf trifft darüber hinaus keine Festlegung darüber, ob und in welchem Umfang Auswahlmöglichkeiten in Bezug auf Betreuungszeiten für von Beiträgen befreite Eltern bestehen. Hierzu wird die Landesregierung aufgefordert, eine Gleichbehandlung aller Eltern sicherzustellen. Einkommens- und strukturschwache Städte dürfen hierdurch nicht zusätzlich belastet werden.

4. Der Gesetzentwurf schließt die Gewährung von Landesmitteln für die Inanspruchnahme von Tagespflege in Ergänzung zum Kindergartenbesuch aus. Die Landesregierung wird aufgefordert, eine Landesbeteiligung an den so genannten Kombi-Modellen zur Betreuung in Kindertageseinrichtungen und Tagespflege vorzusehen.

5. Die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen zu Familienzentren wird begrüßt. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Familienzentren jährlich zusätzliche Landesmittel von 12.000,– EUR erhalten. Diese Förderung ist angesichts der vielfältigen Aufgaben von Familienzentren völlig unzureichend.
Die Landesregierung wird aufgefordert, die Familienzentren, gemessen an ihrem Leistungsumfang, entsprechend finanziell auskömmlich auszustatten.

6. Der Gesetzentwurf sieht eine Absenkung des Trägeranteils für kirchliche Träger von 20% auf 12% der Betriebskosten für Kindertageseinrichtungen vor. Die Mehrbelastung für die öffentliche Hand soll zu ¾ vom Land und zu ¼ von den Kommunen getragen werden. Für Mülheim an der Ruhr sind vom Land verantwortete finanzielle Mehrbelastungen nicht tragbar.

Die Landesregierung wird aufgefordert, die durch die Absenkung des Trägeranteils für kirchlich Träger entstehenden Mehrbelastungen zu 100% durch das Land zu übernehmen (Konnexitätsprinzip). Gleichzeitig wird die Landesregierung aufgefordert, die Absenkung des Trägeranteils davon abhängig zu machen, dass die kirchlichen Träger ihr Angebot an Kindertageseinrichtungen – sofern bedarfsentsprechend – stabil halten.

7. Die bisherigen Regelungen im Gesetzentwurf zu Gruppenstärken sind unzureichend und könnten zu Standardverschlechterungen führen.
Die Landesregierung wird aufgefordert, im Gesetz Regelungen zu Gruppenstärken sowie zum Personalschlüssel zu konkretisieren und hierüber Absenkungen von Standards auszuschließen.

8. Der Rat der Stadt Mülheim an der Ruhr begrüßt die Bemühungen von Unternehmen, für Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Betriebskindergärten einzurichten und zu unterhalten. Die Familien können sich auch tagsüber am Arbeitsplatz sehen und Pausen miteinander verbringen. Dies fördert den Familienzusammenhalt, das Engagement im Betrieb und kann nicht zuletzt auch zu einem verbesserten Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter 3 Jahren führen. Deswegen ist der Landtag aufgefordert, Betriebe wie bisher (§ 20 des Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder) als Empfänger öffentlicher Zuschüsse für Betriebskindergärten vorzusehen.

9. Kindertageseinrichtungen mit besonderen Anforderungen (soziale Lage der Familien, Kinder mit Entwicklungsverzögerungen, hoher Anteil von Kindern mit Migrationshintergrund) bedürfen der besonderen Unterstützung. Die Verringerung der Regelgruppenstärke und die Gewährung erhöhter Zuschüsse zur Finanzierung von zusätzlichem Personal wären zur besonderen Unterstützung solcher Einrichtungen geeignete Instrumente.

Die Landesregierung wird aufgefordert, entsprechende Regelungen aufzunehmen.

10. Insbesondere zum Ausbau von Plätzen für Kinder unter 3 Jahren werden in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen im Kindergartenbereich erforderlich sein. Hierzu brauchen Kommunen und Träger Planungssicherheit. Die Regelungen im Gesetzentwurf zur Investitionskostenförderung sind unzureichend und orientieren sich ausschließlich am Landeshaushalt.

Die Landesregierung wird aufgefordert, die Investitionskostenförderung zu konkretisieren und mit dem Kinderbildungsgesetz ein umfassendes Landesprogramm zur investiven Förderung zur Schaffung von U-3-Plätzen aufzunehmen.