Was ist Forfaitierung?

Die Wahrheit ist konkret: Beispiel Medienhaus Mülheim an der Ruhe

Die Stadt Mülheim an der Ruhr baut am Viktoriaplatz ein Medienhaus. Bauen wird die Firma SKE aus Mannheim, die auch nach Fertigstellung das Gebäude – nicht das Medienhaus als Institution – auf begrenzte Zeit betreiben wird. Das Ganze ist ein ÖPP, eine öffentlich private Partnerschaft.

Forfaitierung mit Einredeverzicht ist eine Finanzierungsvariante, die wie folgt funktioniert:

  • SKE baut das Medienhaus auf dem städtischen Grundstück.
  • Ist der Bau fertig, macht die Stadt als Bauherr eine genaueste Bauabnahme. Das heißt, es wird von Fachleuten überprüft, ob der Bau in Ordnung ist.
  • Ist er das, geht das errichtete Gebäude in das Eigentum der Stadt über.
  • SKE tritt die Forderungen für die Errichtung des Baues an eine Bank ab. Bei Mängelfreiheit des Medienhauses, erklärt die Stadt gegenüber der Bank auf alle Einreden zu verzichten.

    Zwischenschritt – Was ist eine Einrede?

    Das ist ein Begriff aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Man kann zum Beispiel eine Einwendung = Einrede machen, wenn ein Vertrag sittenwidrig ist. (§ 138 BGB) Ist er tatsächlich sittenwidrig, muss man den Verpflichtungen aus dem Vertrag nicht nachkommen. Eine Einrede ist also ein Einspruch.

    Weiter geht´s?

  • Die Forfaitierung mit Einredeverzicht ist von Seiten der Stadt vor der Fertigstellung des Medienhauses zu erklären, tritt aber erst wirklich in Kraft, wenn die Bauabnahme die Mängelfreiheit feststellt. Die Forfaitierung wird also erst dann sozusagen „scharf geschaltet“.
  • Die Stadt ist der solventeste Kunde, den eine Bank haben kann – und damit auch der mit geringstem bis gar keinem Risiko. Deshalb räumt eine Bank einer Stadt auch wesentlich günstigere Kreditkonditionen ein, als einem Privaten. Der Unterschied rund bei 1,5%-Punkten. Das ist bei den großen Summen und der langen Laufzeit gewaltig viel Geld.
  • Liegt das Risiko nicht jetzt allein bei der Stadt, wenn SKE Pfusch gemacht hat? Nein. Ersten hat die Bauabnahme die Mängelfreiheit festgestellt. Zweitens ist die gesetzliche Gewährleistungshaftung durch den Einredeverzicht nicht außer Karft gesetzt. Die gilt immer! Das Risiko ist also minimal.
  • Wo liegt der Vorteil? Das sind die niedrigeren Zinsen. Dadurch wird die Investition günstiger.
  • Ist es klug auf alle Einreden zu verzichten? Erstens ist von dem Einredeverzicht nur die Investition betroffen! Die Bauunterhaltung niemals. Macht SKE da Mist, kann das Entgelt für diese Serviceleistungen durchaus gekürzt werden. Zweitens ist das Risiko, wie schon gesagt, gering und gegenüber dem geldlichen Vorteil der Stadt niedriger zu bewerten. Übrigens: Würde die Stadt konventionell das Medienhaus bauen, müsste sie zur Bank gehen und sich das Geld leihen. Ist der Bau fertig, bekommt nach der Abnahme die Baufirma das Geld. Danach zahlte die Stadt auch nur an ihre Bank. Und die wird sicher nicht auf Raten verzichten, wenn sich nach 10 Jahren Risse in der Fassade zeigen.

    Forfaitierung ist nichts Ungewöhnliches und ist auch nicht sozusagen in den Höllenwerkstätten des internationalen Monopolkapitals ersonnen. Glaubt man Wikipedia gibt es einen sicher von den meisten kaum vermuteten Erfinder: die Sowjetunion.

    Noch was: Forfaitierung kommt aus dem Französischen – á forfait heißt soviel wie in Bausch und Bogen, in Gänze und meint in diesem Zusammenhang, dass die Stadt auf alle Einreden verzichtet.