Streit ist nichts Schlechtes. Schon gar nicht in einer Demokratie. Streit und Debatte sind der Motor des Fortschritts. Wären alle stets derselben Meinung, ist es nicht nur langweilig, es ginge auch nicht voran.
Doch ist in einer Debatte alles erlaubt? Die Ruhrbanis-Gegner verteilen eine Flugblatt. Es macht auf mit der polemischen Frage, ob man als Bürger das Problem habe, in Mülheim einen Parkplatz für die Yacht zu finden. Wer hat schon eine Yacht wie sie zum Beispiel im Hafen von Monaco liegen? Auf diesen Spielplatz der Superreichen wird im Text verwiesen. Schlussfolgerung, die nahegelegt wird: Hab´ich nicht. Werde ich mir nie leisten können. Also bin ich gegen Ruhrbania. Das Ganze hat noch einen Untertext, der soll sozusagen unterhalb der Gürtellienie wirken. Die da oben, also die Reichen, wollen bestimmen, was in Mülheim geschieht.
Über so plumpe Klassenkampfparolen ließe sich lächeln. Jeder blamiert sich halt so gut er kann. Demokratie bedeutet auch, sich selbst kritisch zu sehen. Dieser Satz ist von Rita Süßmuth, einer CDU-Politikerin. Demokratische Debatte lebt also davon, dass die Kontrahenten Selbstkritik üben, ihren eigenen Standpunkt nicht für die Wahrheit in letzter Instanz halten. Doch genau dies tun die Ruhrbania-Gegner. Leider noch mehr als das. Sie informieren schlicht falsch. Sie behaupten zum Beispiel, dass an der Ruhr Hochhäuser gebaut werden sollen. Stimmt nicht. Ist schlicht gelogen. Hauptsache es wirkt, Hauptsache die Unterschrift ist da.
Demokratie lebt vom Streit, von der Diskussion um den richtigen Weg. Deshalb gehört zu ihr der Respekt vor der Meinung des anderen. Das hat Richard von Weizsäcker formuliert, der ehemalige Bundespräsident. Ist es Streit um den richtigen Weg, wenn ein Ex-Oberbürgermeister (CDU), jetzt Gallionsfigur der Ruhrbaniagegner, einen Parteifreund mit einer Klage bedroht? Sind wir so weit, dass die konstruktive Debatte in ein Duell eskaliert, in dem fast jedes Rechtsmittel gut ist? Fast ist man geneigt zu glauben, es gehe auf Leben und Tod?
Respekt vor der Meinung des anderen? Ist längst auf der Strecke geblieben. Schon lange geht es nicht mehr darum, ob die Baukante 20 oder 50 Meter vom Fluss entfernt verlaufen soll. Darüber könnte man streiten. Es geht ums Ganze. Und das Ganze ist für die Ruhrbaniagegner nicht das der Stadt Beste, um das es sich zu debattieren lohnte, es ist Macht. Da ersetzt die Polemik das Argument, gänzlich begründungsfreie Behauptungen den notwendigen politischen Diskurs.
Man hat aufgehört, existentiell bis drei zu zählen. Es gibt nur noch Schwarz oder Weiß, Gut oder Schlecht, Vernünftige oder Spinner, Ausverkäufer und Bewahrer. Das Ganze wird irgendwie vermengt mit Antiglobalisierung, mit der Aura des Kampfes der da unten gegen die da oben umgeben. Nimmt man sich eine Minute der rationalen Muße, erkennt man klar: So einfach, so eindimensional eindeutig ist die Lebenswirklichkeit niemals sortiert.
Der konstruktive Diskurs bleibt auf der Strecke. Im Diskurs muss argumentiert werden, sucht man nach gemeinsamen Lösungen. Sucht man nicht die Konfrontation um ihrer selbst willen, den spaltenden Streit schlechthin. Der hat noch nie zu etwas Sinnvollem geführt.
Wie kann ein Streit so eskalieren? Wie weit hat man sich verstiegen, dass die andere Meinung nicht nur eben die andere Meinung ist, sondern das gänzlich Falsche. Ja, mehr als das: Das Schlechte, das Schädliche, das Unnütze Vielleicht sogar das Böse?
Dieser Streit wird im Namen der Demokratie geführt. Doch Demokratie ist Diskurs, setzt Selbstkritik voraus. Wer den eigenen Standpunkt für heilig erklärt, für das einzig Mögliche hält, hat sich aus dem demokratischen Diskurs verabschiedet. Wer den Gegner als gefährlichen Spinner denunziert, polemische Süffisanz zum einzigen Mittel der Debatte macht, die dann dadurch keine mehr sein kann, muss sich fragen lassen: Ist das noch Debatte im Geiste der Demokratie?