Frank Esser: „Die SPD braucht euch. Nicht zuletzt wir Männer.“

Frank Esser zum 35. "Geburtstag" der Mülheimer AsF

Die Aussage ist hinterlistig, suggeriert sie doch, dass Frauen eigentlich besser sind, durch Bestrebungen nach Gleich-berechtigung gar etwas verlieren. Was dann den Schluss nahe legte, sich nicht weiter dahingehend zu bemühen.

Nie ging es um besser oder schlechter, darum, dass Herr und Magd die Plätze tauschen. Es ging immer um Gleichberechtigung, also gleiche Augenhöhe, gleiche Rechte und auch Pflichten, gleiche Bildungs– und Berufschancen, gleiche Verdienst– und Aufstiegsmöglichkeiten. Kurz um die Einlösung dessen, was in Artikel 3 unserer Verfassung steht: Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Dieses kurze, aber in der Kürze präzise und unmissverständliche Gebot ist in dieser Formulierung von einer Frau, von Elisabeth Selbert. Mit Blick auf die Wirklichkeit muss man sagen, noch heute formuliert der Artikel ein Ziel.

Mann zu sein ist kein Gütesiegel an sich. Weiblichkeit natürlich auch nicht. Vielleicht hat deshalb die italienische Frauenrechtlerin Agato Capiello Gleichberechtigung einmal so definiert: Die Gleichberechtigung ist erst dann erreicht, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist. Hinzufügen möchte ich: Die wir dann gemeinsam, Frauen und Männer, kritisieren können, ohne dass sich Männer des Vorwurfs ein Chauvi zu sein aussetzen. Und noch eines, der Klarheit halber: Ich meine damit ausdrücklich nicht die aktuelle Kanzlerin.

Als am 15. Juli 1987 die erste Vorsitzende der AsF in Mülheim, Lore Güllenstern, den Stab an Lisa Poungias weitergab, sagte sie: „Das Motto der ersten SPD -Frauenkonferenz aus dem Jahre 1973 ist noch immer gültig: Die Benachteiligungen überwinden.“ Und sie fügte hinzu: „Wir müssen dran bleiben.“

Die Frauen um Lisa Poungias blieben dran. Ja, sie mussten es. Auch als Renate aus der Beek den Vorsitz übernahm, waren die Themen nicht ausgegangen. Wie langsam die Mühlen der politischen Entscheidungen mahlen sieht man daran, dass ein Topthema im Gründungsjahr der AsF die mangelnden Kinderbetreuungsplätze waren. Das Thema steht noch heute, wenn auch mit etwas veränderter Schwerpunktsetzung, auf der Agenda der Tagespolitik.

In einem AsF-Flugblatt zum Landtags-wahlkampf 1980 forderten die SPD – Frauen Nulltarif für Kindergärten. 30 Jahre später nahm SPD-Ministerin Renate Schmidt diese Forderung wieder auf. Heute ist sie in aller Munde. Und sogar bei der CDU angekommen.

„Politik ist Frauensache“ stand in dem Flugblatt von 1980. Und es ging sehr oft um die ganz praktischen Dinge, die, die den Alltag tatsächlich meistern helfen. Stets war z.B. die Forderung der AsF nach mehr, besserer und vor allem flexiblerer Kinderbetreuung mit dem Ziel verknüpft, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sicher zu stellen. Die AsF hat immer in solchen vernetzten Strukturen gedacht, die die Gesamtheit der gesellschaftlichen Problemlagen in den Blick nimmt.

Die AsF wird 35 Jahre alt. Das sind dreieinhalb Jahrzehnte aktiver, engagierter und erfolgreicher Politik. Vieles von dem, was einst gefordert, für das seinerzeit gekämpft wurde, ist heute Wirklichkeit. Und nicht immer war das leicht.

Wer Anfang der 70er-Jahre auf der Schlossstraße stand und für die Liberalisierung des § 218 öffentlich das Wort ergriff, musste gewärtig sein, massiv angegriffen zu werden. Auch körperliche Attacken waren dabei. Da habt ihr eure Frau gestanden. Wie auch heute. Dafür sage ich Dank. Dafür dankt euch die SPD Mülheim an der Ruhr. Im Grunde danken euch alle Frauen unserer Heimatstadt.

„Wenn die Frau heute nur die Gleichberechtigung anstrebt und nichts weiter, ist das ein Zeichen, dass sie dem Mann seine Jahrhunderte lange Vorherrschaft verziehen hat.“ Der Satz ist von Henry Miller, einem bekannten Oberchauvi, gesprochen wohl aus Altersweisheit.

Ja, eure Forderungen sind gerecht. Sie sind Teil der großen historischen Emanzipationsbewegung, in der die Sozialdemokratie stets eine tragende und bewegende Rolle spielte. Wir spielen diese Rolle weiter. Wir geben uns nicht zufrieden. Und wir hoffen, ja wir erwarten von euch, dass ihr so weiter arbeitet wie in den letzten 35 Jahren.

Die SPD braucht euch.
Alle brauchen euch. Nicht zuletzt wir Männer.