


Kultur ist ein Bollwerk gegen Dogmatismus, Fanatismus und Fundamentalismus in jeglicher Erscheinungsform. O-Ton Jürgen Rüttgers aus einer Rede vor der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und weiter: Die Frage, ob der Staat die Kultur braucht, ist entschieden mit Ja zu beantworten. Satz eins ist richtig, die Schlussfolgerung ebenso. Kultur ist nicht bloßes Ornament, sie ist Geist, der uns beflügelt. Doch solchen großen und richtigen – Worten müssen Taten folgen. Worte sind billig.
Beispiel 1: Essen Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010.
Die wird nach den Worten des CDU-Ministerpräsidenten nicht nur begrüßt, sondern nachdrücklich unterstützt. Essen kandidiert für das ganze Ruhrgebiet. Zum ersten mal tritt eine ganze Region an. 48 Millionen beträgt das Gesamtbudget. 20 Millionen bringen Essen und die Städte der Region auf. Rund 10 Millionen kommen von Sponsoren, vor allem von der im Revier ansässigen Industrie. Sie ist vor Anfang an erfreulicherweise mit im Kultur-Boot. Fehlen rund 20 Millionen bis 2010. Die Herkunft bis heute: ungeklärt. Dazu noch einmal Jürgen Rüttgers in seiner ersten Regierungserklärung im Landtag NRW: Wir wollen helfen, dass sich das Ruhrgebiet weiter als Kultregion profiliert. Profilierung zum Nulltarif ist nicht zu machen. Laut WAZ-Bericht gibt es bisher keine Zusage des Landes, die Finanzierung dieses wichtigsten Kulturprojekts des Landes seit 50 sicher zu stellen. Vollmundigen Versprechen sind bis dato keine Taten gefolgt.
Beispiel 2: Revierparks
Zehn davon gibt es im Gebiet des Regionalverbandes Ruhr. Von Mülheim aus gesehen ist der nächste der Revierpark Vonderort an der Grenze zwischen Oberhausen (Osterfeld) und Bottrop. Mit 50% ist der RVR an der Revierpark Vonderort GmbH beteiligt, zu jeweils 25% die beiden Städte Oberhausen und Bottrop. 600.000 ist der jährliche Zuschussbedarf (50% davon trägt der RVR), rund 450.000 Menschen nutzen den Park in einem Jahr. Pro-Kopf-Zuschuss: 1,30 . Wollte man den Zuschussbedarf auf Null fahren, müssten die Eintrittspreise steigen.
Im nächsten Jahr feiert der Revierpark Vonderort sein 35jähriges Bestehen. Aus der Region ist er als attraktives Freizeitzentrum nicht mehr weg zu denken. Millionen Bürgerinnen und Bürger haben in 3 Jahrzehnten das Angebot genutzt. Besonders das Solbad und die Saunalandschaft erfreuen sich regional großer Beliebtheit.
Und jetzt? Die Revierparks machen RVR Sorgen, schreibt die WAZ. Man suche nach Konzepten, den Zuschussbedarf zu senken. Die Parks sind integraler Bestandteil der Freizeitinfrastruktur des Ruhrreviers. Es gilt hier, was auch für die Kultur im Revier gesagt wurde: Wer das größte industrielle Ballungsgebiet Europas attraktivieren will, muss salopp formuliert aus der Tasche kommen. Da wird in großen Worten von Herrn Rüttgers die Bedeutung des Reviers beschworen, doch finanziell soll es sich allein tragen, denn der RVR lebt allein von den Umlagen der angeschlossenen Kommunen und Kreise.
Beispiel 3: Die Route der Industriekultur
"Weg damit!" war früher die Devise, wenn alte Industrieanlagen, historische Siedlungen nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein schienen. Man stelle sich vor, man hätte den Gasometer in Oberhausen platt gemacht, um nur ein Beispiel zu nennen. 52 herausragende Zeugnisse der industriekulturellen Vergangenheit und Gegenwert des Ruhrgebiets bilden die Route der Industriekultur. Dazu gehören überregional bedeutende Industrieanlagen ebenso wie von namhaften Architekten entworfene Arbeitersiedlungen, Museen oder Panoramen, durch die man sich einen guten Überblick über die Geschichte der Region verschaffen kann. 25 sogenannte Ankerpunkte bilden das Rückrat der Route. Der Aquarius in Mülheim gehört dazu.
Die Route der Industriekultur ist ein Projekt des RVR. Und damit auch bezahlt vom Verband. Brauchen wir so was? Kaum ist die Frage gestellt, treten die Aufrechner auf den Plan. Schulen sind wichtiger als Kultur. So oder ähnlich kommen die (Schein-) Argumente daher. Können wir in Zeiten knapper Kassen unsere Geschichte dem Vergessen anheim geben? Die Artefakte unserer Entwicklung im Revier der Abrissbirne weihen? Nein, entschiedenes Nein. Es ist die einzige Antwort. Wer die Geschichte auslöscht, Erinnerungskultur planiert, wird keine Zukunft bauen können.
Kultur und Erinnerung kosten Geld. Die Verdoppelung der Kulturausgaben wurde von der Landesregierung versprochen. Bisher ist davon nichts zu spüren. Das Ruhrrevier sollte im besonderen Interesse stehen. Auch das war versprochen. Bisher Fehlanzeige. Der Staat muss ein hohes Interesse an den öffentlichen Kultureinrichtungen, an ihrem Erhalt, ihrer organisatorischen Effizienz und ihrer Fortentwicklung haben. So CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Reden ist billig, hilft aber nicht. Versprechen müssen eingelöst werden. Das geht nur durch Taten.