
Wilfried Schmickler ist das einzige zu recht bezahlte Lästermaul der Republik. Der Mann ist ein Wortakrobat der Premiumklasse. Heute (21.09.05) hat er sich im WDR5-Morgenecho mit einem satirischen Schrägstrich zu Wort gemeldet, der es in sich hatte.
Zitat:
… liebe Wander- und Wechselwähler: wer hat denn dieses von niemandem prognostizierte Überraschungs-Menü aufgetischt, das den Politikern aller Geschmackrichtungen so nachhaltig auf den Magen schlägt? Ja, das ward doch Ihr! Ich kann doch nicht im Restaurant eine geschmorte Schuhsohle mit rohem Nierengemüse und kalten Pommes in Wirsing-Quark bestellen und mich hinterher beim Kellner darüber beschweren, dass mir schon vom Anblick dieses kulinarischen Mega-Gaus speiübel wird.
So weit das satirische Lästermaul Schmickler in seiner unnachahmlichen Art.
Natürlich kann man nicht den einzelnen Wähler für das Ergebnis verantwortlich machen. In der Wahlkabine ist jeder mit sich allein. Doch wenn alle Stimmen addiert sind, die Sitze verteilt, ergibt sich heuer eine Konstellation, die wir noch nie hatten. Jamaika ist möglich, also schwarz/gelb/grün. Schwarz/rot geht auch. Rot/grün/dunkelrot addierte sich ebenfalls zu einer Mehrheit.
Letztere will keiner auch die Dunkelroten übrigens nicht. Die schon allein aus dem Grund, weil in der Verantwortung die neue Linke Gefahr läuft, dass ihr das Spitzenpersonal wegläuft.
Man muss festhalten: Alle haben gesagt, das sei eine Richtungswahl. Angela Merkel verstieg sich sogar zu der Formulierung der Schicksalswahl. Mit dieser Zuspitzung sollte deutlich werden, es gehe um eine Wahl zwischen zwei grundlegend verschiedenen Ausrichtungen. Entweder man biegt links ab gleich rot/grün oder aber rechts in die Neoliberale Gasse. Die zweite Abbiegemöglichkeit hat eine Mehrheit als Sackgasse erkannt. 51,1 Prozent haben SPD + Grüne + Linke.PDS den von Merkel/Westerwelle ausgeschilderten Weg nicht genommen. Schwarz/gelb bekommt 45 Prozent. Auch rot/grün ist gescheitert, sicher, doch das schwarz-gelbe Produkt ist auf der Hitliste lediglich auf Platz 2 gelandet. Da es keine weiteren Plätze als die beiden gab, ist das auch gleichzeitig der Verliererplatz.
Was folgt daraus? Die Mehrheit der Deutschen will keinen Neoliberalismus pur á la Merkel/Westerwelle. Im Umkehrschluss bedeutet dies: Die Mehrheit will, dass Erneuerung mit sozialem Augenmaß vonstatten geht. Die Frage, wer diese Position im Wahlkampf vertreten hat und auch heute vertritt, ist allen klar.
Zu fragen istdemnach, mit welchem Recht nun Angela Merkel, die mit ihrem Politikangebot grandios scheiterte, einen Regierungsauftrag meint bekommen zu haben. Von der Wählerinnen und Wählern zumindest nicht. Sie verkauft uns einen auf Grund gelaufenen Programmkahn als Ausflugsdampfer in die schöne neue Welt.
Der Sitzevorsprung im Deutschen Bundestag 3 vor der SPD begründet den Führungsanspruch auch nicht. Wer Wahlentscheidungen zur Richtungswahl deklariert und dessen Richtungsangebot dann mehrheitlich abgelehnt wird, sollte kompromissbereiter sein und nicht auf dem beharren, was er da auf der politischen Speisekarte stehen hatte.
Was nicht geht, sind Neuwahlen nach dem Motto: Was die Wähler uns da aufgetischt haben, schmeckt uns nicht. Da hat Schmickler recht: Gegessen wird, was auf den Tisch kommt", schreibt er.
Das aktuelle Menü ist arg exotisch. Das gab´s noch nie. Insofern sollten wir etwas warten, etwas Geduld haben. Wenn die Scheinwerfer in Berlin abgebaut sind, wieder etwas mehr herbstliche Kühle eingekehrt ist, was für die kommende Woche der Wetterbericht ohnehin prognostiziert, wird es auch eine Lösung geben. Demokratie ist eben manchmal ein schwieriges Geschäft.
Eines sollte nach diesem Ergebnis klar sein. Die Menschen wollen mehrheitlich einen politischen Kurs, der sozialen Erneuerung. Den hat die SPD und Bundeskanzler Gerhard Schröder in den Mittelpunkt des Wahlkampfes gestellt.