SPD-Vorsitzender Frank Esser zum Ausgang der Bundestagswahl

Frank Esser – hier mit Anton Schaaf – im Interview.

spdmh. Bist Du zufrieden?
Esser: „Ich bin zufrieden. In Mülheim haben wir gewonnen.“

spdmh: Du grenzt das bewusst ein?

Esser: Ja. Im Bund war das Ziel, die rot-grüne Koalition fortzusetzen. Das ist nicht gelungen. Gemessen an dem Stand von vor knapp 3 Monaten ist das Ergebnis der SPD gleichwohl beachtlich. Da hatten uns die Umfrageinstitute zum Teil bei Werten unter 25%. Wir haben bis zum Wahltag knapp 10 Prozent draufgelegt.

spdmh: Was hat Deines Erachtens dieses Plus bewirkt?

Esser: Die Demoskopen sagen, dass für über 40% der SPD-Wähler der Kanzler als Person wichtig war für ihre Entscheidung. Nur für 16% gab die Kandidatin Merkel bei Unionswählern den Ausschlag. Insofern hat Gerhard Schröder und sein nun wirklich fulminanter Wahlkampf den Ausschlag gegeben. Doch ich denke, da kam noch etwas Entscheidendes hinzu. Die CDU/CSU wollte in diesem Wahlkampf die Masche von Rüttgers in NRW kopieren, also nichts Genaues sagen, sich auf wenige Vorwürfe gegen uns beschränken. Das ist nicht gelungen. Es ging um Inhalte. Die Menschen hat schon interessiert, dass die Union eine Kopfpauschale wollte, wir aber eine solidarische Bürgerversicherung, um ein Beispiel zu nennen. Zu Beginn des Wahlkampfes wussten die Menschen zumeist nicht, wo da der Unterschied ist. Wir haben ihnen das im Straßenwahlkampf zigmal erklärt. Das Interesse war groß, eben auch an Inhalten und Themen. Was man daran erkennen kann, dass wir zu Ende des Wahlkampfes über 5.000 Programme unters Volk gebracht hatten, meist auf unmittelbare Nachfrage.

spdmh: Kommen wir auf Mülheim zu sprechen. Das Zweitstimmenergebnis, also das der Partei, lag bei knapp über 46%. Da ist man bessere Zahlen gewohnt.

Esser: Richtig. Mit diesem Ergebnis bin ich als Vorsitzender der SPD in Mülheim nicht zufrieden.Es wäre auch schlimm, wenn ich es wäre. Doch man muss auch sehen, dass wir in allen Wahlen auf den Wert der SPD im Bund maximal 11 – 13% drauflegen. Das haben wir auch diesmal geschafft. Wichtig für mich ist: Der Abstand zur CDU bleibt bei knapp 20%. Die neue Linkspartei hat in Mülheim im Landesvergleich NRW ein durchschnittliches Ergebnis geholt. Betrachtet man die Wählerwanderungsbewegung insgesamt, stellen wir fest, dass rund Zweidrittel der Dunkelrot-Wähler aus dem Potenzial der SPD kommen. Ich denke auch an die Kommunalwahl 2004, bei der kleine, vor allem SPD-kritische Gruppierungen in Mülheim weit über 10% bekamen. Diese Größenordnung hätte man evnetuell auch bei der Linkspartei erwarten können. Das war nicht der Fall. Es gilt gleichwohl für mich: Wir müssen in Mülheim besser werden.

spdmh: Anton Schaaf sei eine „Marke“ steht in der Wahlberichterstattung. Was ist denn damit gemeint?

Esser: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass Menschen keine abstrakten, sozusagen gesichtslosen Organisationen wählen. Menschen wählen Menschen. Sie wollen, dass die politischen Inhalte gelebt sind. Anton Schaaf hat es geschafft, in nur drei Jahren und zwei Wahlkämpfen zu einer festen Größe zu werden, unter der sich die Wählerinnen und Wähler etwas vorstellen können, der für etwas steht. Er hat Profil, ist authentisch. Er steht für Dialog, Zuhören aber auch klare Kante. Das schätzen Menschen. Eben dies ist damit gemeint: Anton Schaaf ist eine Marke. Und zwar eine gute.

spdmh: Die Frage darf nicht fehlen: Wie geht der Koalitionspoker in Berlin aus.

Esser: Was wir jetzt erleben, lässt sich in dem Satz zusammenfassen: Die Claims werden abgesteckt. Angela Merkel hat diese Wahl verloren. Vor zwei Monaten legte Edmund Stoiber für sie die Latte auf 45%. Die hat sie nicht gerisssen, viel schlimmer, sie ist unter der Latte durchgesprungen. Wer sich so sicher im Kanzleramt wähnt, ist mit Sicherheit maßlos enttäuscht, wenn aus den ehedem 48% nur 35 werden. Auch Guido Westerwelle, der jetzt den Hardliner macht, hat sich weitaus mehr ausgerechnet. Die SPD hat dagegen mit ihrem Ergebnis alle überrascht. Wir werden in der kommenden Woche sehen, dass die Töne moderater werden. Alle Parteien haben die Pflicht, für dieses Land zu arbeiten. Eine Mehrheit wird sich finden. Falls das eine „Jamaika-Koalition“ sein sollte, also schwarz/gelb/grün, gehen wir in die Opposition. Eine große Koalition ist aus meiner Sicht allerdings wahrscheinlicher. Ob dann die Kanzlerin Angela Merkel heißen wird, steht noch dahin. Allgemein appelliere ich, jetzt nicht ungeduldig zu werden. Die Lage ist objektiv schwierig. Eine solche Situation hatten wir noch nie.