Allen erzählt der Visionär aus dem Elfenbeinturm in Heidelberg dasselbe: 418 Ausnahmetatbestände will er aus dem deutschen Steuerrecht streichen, um seine Radikalsteuerreform zu finanzieren. Er habe eine Liste. Ein Mitarbeiter an seinem Heidelberger Uni-Institut sagt auf Nachfrage der Wochenzeitung Die Zeit, er dürfe darüber nicht mit der Presse sprechen, das sei jetzt allein Sache der CDU.
Dort ist, laut Die Zeit, ein Herr Fugger zuständig. Der sagt, es gäbe diese Liste überhaupt nicht. Die Chefin im Konrad-Adenauer-Haus, Angela Merkel, erklärt, sie kenne die Liste nicht. Zwischen Nichtkennen und Nichtexistent ist ein kleiner, aber maßgeblicher Unterschied. Wenn es das ominöse Ding nicht gibt, muss Frau Merkel nicht sagen, dass sie es nicht kennt. Nichtkennen läßt erkennen, dass es die Liste gibt.
Gleichwohl zieht ihr bestallter Visionär durch die Lande, beißt in jedes Mikro, und schadronniert weiterhin von 418 zu streichenden Punkten. Das Kieler Forschungsinstitut für Weltwirtschaft legte vor knapp zwei Jahren eine komplette Liste vor. Auf dieser standen 163 Tatbestände, die eventuell zu streichen sind. Diese Liste gilt bis heute als die eigentlich vollständige. In des Visionärs eigenem Buch finden sich im übrigen ebenfalls die besagten 163. Bleibt eine bis jetzt unerklärte Lücke von 255 Streichpunkten.
Wo sind die? Erklärung 1: Es gibt sie gar nicht. Der Visionär hat lediglich mal geträumt oder sich schlicht verzählt. Erklärung 2: Die Liste ist eine Sozialkahlschlagsagenda und bleibt deshalb, weil ansonsten verheerende Wirkungungen ausgelöst werden, unter Verschluss. Dann spielte die CDU/CSU mit verdeckten und auch gezinkten Karten.
Bleiben wiederum zwei Möglichkeiten:
1. Die Liste muss sofort auf den Tisch, sonst wählen die Menschen in Deutschland die Katze im Sack. Und die Merkelsche Glasnost-Masche ist reine Show.
2. Merkel sagt, dass es die Liste nicht gibt und ihr Visionär ein "bißchen" übertrieben hat, also ein Aufschneider ist.
Klarheit und Wahrheit muss her.