Zauberlehrling Merkel in der Kirchhof-Falle

Zauberlehrling Angela: Das ist Tücke.

Hat der alte Hexenmeister
sich doch einmal wegbegeben!
Und nun sollen seine Geister
auch nach meinem Willen leben.

So steht´s in Goethes Zauberlehrling. Hexenmeister Kohl ist schon in der Wüste, Merz weggebissen, Gesundheitsexperte Seehofer zum Außenseiter herabgestuft, der selbsternannte Alleskönner Stoiber soll nach Merkels Willen in der Münchener Staatskanzlei eingemauert werden. Alles gelungen. Doch Prof. Kirchhof, als guter Geist gerufen, macht das, was er immer macht: Er macht Ernst und er hat recht – zumindest aus seiner Warte betrachtet.

Der Ball liege nun auf dem Elfmeterpunkt, sagt er, er müsse ihn nur noch ins Tor schießen. Damit, so der Untertext, gleichzeitig auch Klartext, meint er die Chance, sein Radikalkonzept zu verwirklichen, koste es, was es wolle. Letzteres wirklich im Wortsinne. Was als taktischer Coup von Angela Merkel geplant war, um aus der Defensive ihrer Brutto-Netto-Patzer rauszukommen, beginnt ein Eigenleben zu führen. So lebendig, dass einige schon lieber wieder die Reißleine ziehen möchten. Wem ist ein einheitlicher Steuersatz von 25 Prozent zu verkaufen? Erst jenseits der 60.000-Euro-Jahreseinkommen beginnt im System Kirchhof die Entlastungszone, finanziert vornehmlich durch Belastungen der darunter Verdienenden – und das sind die meisten.

Die Entfernungspauschale, nach Kirchhof ein teurer Alter Zopf, der abgeschnitten gehört, soll nur sozusagen neuen Formschnitt erhalten, bemerkt CDU-Ministerpräsident Oettinger. CDU-General Kauder welscht abwiegelnd und verschleiernd, das Kirchhof-Radikalmodell sei zur Zeit mit der Programmatik der Union nicht vereinbar. Erhebt sich die Frage, ob nach dem 18. September Prof. Kirchhof sein Modell ändert oder die CDU/CSU ihr Programm. Kirchhof macht nicht den Eindruck, dass er zu abschwächenden Modifikation bereit wäre. Er will die Roßkur, wahltaktische Homöopathie ist ihm zuwider.

Kirchhof, als Show-Act eingekauft, erklärt sich selbst zum Minister der Finanzen. Und keiner widerspricht ihm, weil ihm auch keiner widersprechen kann. Wer mit so einem Tamtam als Star auf die Bühne geholt wird, den kann man ohne Glaubwürdigkeitsverlust nicht nach dem Prolog wieder in die Kulisse schicken. Es ist leicht vollstellbar, wie Zauberlehrling Angela, die den Geist rief, nun nasse Füsse bekommt. In der Chefetage wird mit Bangen der Moment erwartet, an dem die Journalisten entdecken, dass der „harte Besen“ zum Beispiel auch die Besteuerung von Lohnersatzleistungen ins Haus zu schleppen gedenkt. Der Tag naht, da einer die Frage stellt, ob es denn sozial gerecht ist, dass ein Arbeitsloser mit 670 € Stütze pro Monat knapp 100 € Steuern zahlen soll. Das Kauderwelsch – "derzeit nicht komplett kompatibel" – ist zwar eine echte Allround-Ausrede. Die Schwierigkeit dabei: Kirchhof ist nicht allein auf Grund seines Kompetenz- und Sendungsbewußtseins ein Problem. Die Zauberlehrling-Falle steckt auch in seinem Modell. Das funktioniert nämlich nach der Regel Alles oder Nicht, ganz oder gar nicht, ein strukturelles Phänomen, das allen Fundamentalismen innewohnt. Sprich: Kirchhof „light“ geht nicht.

Kirchhof pur ist aber nicht vermittelbar. Pendlerpauschale weg, Sparerfreibetrag weg, Steuervergünstigungen für Alleinerziehende weg. Das ist schwere Kost, das ist Unverdauliches. Das kostet Zustimmung, das bringt Protest. CDU-Koch hat das schon längst erkannt und will eine Ablenkungsfront aufmachen. Der EU-Beitritt der Türkei soll ganz vorn an die Rampe geschoben werden. Soll denn das ganze Haus ersaufen? Wie heißt es so schön bei Goethe: Das ist Tücke. Wer solch unheilvolle Geister ruft, muss sehen, dass er sie los wird. Die Zeit wird knapp. Und Kirchhof schleppt schon die nächsten Eimer.