„Auf den Anfang kommt es an.“

Der Rat hat vorige Woche nach intensiver und sachorientierter Debatte ein „Zwei-Säulen-Modell“ beschlossen: Offene Ganztagsgrundschulen werden ausgebaut und Horte bleiben erhalten. Das ist gut und richtig so.

Doch es geht um mehr. Im Kommunalwahlprogramm 2004-2009, dem MülheimPlan der SPD, heißt es:

"Benötigt wird eine Weiterentwicklung der Betreuungsangebote, weg vom starren System Krippe, Kindergarten und Hort hin zu integrierten Angeboten. Auf die unterschiedlichen Bedürfnisse werden wir mit einem differenzierten System von Angeboten antworten. Mit der Einrichtung einer Servicestelle für Betreuungsangebote haben wir den Weg fortgesetzt, aus einer Hand umfassende Beratung zu geben und passgenaue Betreuungsangebote anzubieten.

Wir wollen Tageseinrichtungen zu Zentren ausgestalten und Angebotsbörsen schaffen, bei denen unterschiedliche Betreuungsangebote gebündelt werden. Dazu gehört auch die Tagespflege, die im System neben den Tageseinrichtungen einen besonderen Platz einnimmt. Die einzelnen Angebote müssen zeitlich flexibler werden, vor allem mit dem Blick auf Öffnungszeiten. Tageseinrichtungen müssen sich weiter entwickeln zu sozialen Orten, die für Kinder in ihrem Alltagsleben zu einem festen Bezugspunkt werden, wo Kinder verschiedenen Alters zusammen betreut werden"

Pate für diese Forderung stand das Modell der sogenannten „Early Excellence Center“, wie sie in Großbritannien mit Erfolg erprobt sind. Auch die skandinavischen Staaten – Schweden, Finnland – haben sich schon längst aus dem starren Nebeneinandersystem von Betreuung, Bildung, Kinder- und Jugendhilfe gelöst.

Die neuen „Kinderhäuser“ integrieren unter einem Dach eine öffnungszeitenflexible Kindertageseinrichtung mit klar definiertem Bildungsauftrag, einen offenen Club für Schulkinder von 6 – 11 Jahren, Angebote, die heute vor allem von Familienbildungsstätten erbracht werden, Erziehungsberatung, Sozialberatung, einen kinderpsychologischen Dienst u.v.a.m. So werden zukünftig Kindertagesstätten zu einem Kinder- und Familienhaus im Stadtviertel, alles unter einem Dach, gleichsam rund um die Uhr geöffnet. Einer Anlaufstelle für Eltern und Kinder.

Insbesondere fordert Prof. Fthenakis, den Bildungsauftrag der Kindergärten massiv zu stärken und auszubauen. Auch das eine Forderung des MülheimPlanes:

"Neben methodischer und pädagogischer Vielfalt brauchen wir zugleich stärkere Einigkeit und Verbindlichkeit im Ziel: durch eine gemeinsame Bildungsvereinbarung mit öffentlichen und freien Trägern sowie den Kirchen, durch die Einführung eines Qualitätsmanagements, ggf. mit einer Zertifizierung, und durch die Entwicklung dezentralern Profile und Leitlinien in den Einrichtungen. Dabei sind Schulfähigkeitsprofile als Orientierung zu beachten. Eine engere Kooperation der Kindergärten mit den Grundschulen ist anzustreben."

Es kommt auf den Anfang an. Fthenakis hat absolut Recht. Nur wenn es gelingt, das Fundament perfekt zu legen, werden Bildungsbiographien gelingen. Der Volksmund kennt diesen Zusammenhang seit jeher: „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.“

Der jetzt im Rat der Stadt erzielte Kompromiss ist vernünftig, doch auf diesen Lorbeeren dürfen wir uns nicht ausruhen. Noch existieren Angebote, Institutionen und Einrichtungen, die integriert zusammen gehören, unverbunden nebeneinander, noch sind Kindergärten und Kindertagesstätten eher sozialpädagogisch ausgerichtet und nicht bildungsorientiert. Genau das Letztere müssen sie sein, damit auf mittlere Sicht Deutschland von den beschämenden letzten PISA-Plätzen wegkommt. Es stehen zwei Säulen nenbeneinader. Sie brauchen ein Dach, damit ein Haus für Kinder und Eltern daraus wird.

Die Pläne liegen auf dem Tisch. Positive Erfahrungen gibt es. Jetzt sollte über weitere innovative Schritte nachgedacht werden.

Unter den beiden angefügten Links kann man mehr über Prof. Wassilio Fthenakis und seine Konzeption erfahren. Link Nr. 2 führt zum wohl ersten Online-Familienbuch der Welt – lesenwert!