Besitzsstandsgarantie für Bauern – Aus für die Kumpel auf den den Zechen

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Wenn Frau Merkel von „Verläßlichkeit und Berechenbarkeit“ spricht, so meint das nicht für alle Branchen das Gleiche. Für die Bergleute hat das einen eher zynischen Klang. Für sie besteht Dank CDU-Politik die Berechenbarkeit darin, kalkulieren zu können, ab 2009 arbeitslos zu werden.

„Kinder fördern, statt Kohle“, plaktierte der aktuelle CDU-Regierungspartner FDP im zurückliegenden Landtagswahlkampf NRW. Ob Kinder tatsächlich gefördert werden, steht noch dahin. Entschieden ist das Aus für den deutschen Steinkohlebergbau. Zu teuer – 5,2 Mrd. € Subventionen, keine Zukunft – schafft keine Arbeitsplätze, betriebswirtschaftlich nicht haltbar – Importkohle ist billiger als die bei uns aus der Erde geholte. Das waren die Hauptargumente.

Man muss sich die Argumente genauser ansehen. Nr. 1: Subventionen. In der Tat sie summieren sich auf etwas über 5 Mrd. €. Durch den Kohlekompromiss, der bis zum 22. Mai 05 galt, war festgelegt, dass sich dieser Bedarf bis 2012 mehr als halbiert. Die deutsche Steinkohle ist ohnehin seit Jahrzehnten in einem Anpassungs- und Schrumpfungsprozess. (s. Grafik 1) Waren 1980 noch 186.000 Kumpel beschäftigt, sind es aktuell noch 36.000. Die Förderung ging im selben Zeitraum von 87 Mio. t auf jetzt 26 zurück. Sie sollte bis 2012 auf 16 Mio. t sinken, die Belegschaft noch einmal um rund 16.000 auf dann 20.000. (s. Grafik 2) Die Subventionen sollten drastisch gekürzt werden. Von 5 auf unter 2 Mrd. € im Jahre 2012, eine Absenkung von 65%.

Der Bergbau induziert weitere Arbeitsplätze. Insgesamt hängen am Bergbau in Deutschland deutlich über 100.000 Arbeitsplätze. (s. Grafik 3) Auch bei der Berufsausbildung ist der Berbau spitze. Schon lange hat sich die Ausbildung auf Berufe verlagert, die auch außerhalb des Bergbaues Zukunft haben.

Am Steinkohlebergbau hängt zudem eine ganze Wertschöpfungskette. Bei der Berbautechnologie sind wir Weltmarktführer vor den USA, die über die größten Kohlereserven der Welt verfügen. Größter Importeur mit rasant wachsender Nachfrage ist China, das Land mit Energiehunger, welches rund 80% seines Primarenergiebedarfs aus Steinkohle deckt und deshalb seine zum Teil völlig veralteten Zechen technisch aufrüstet.

Und die Landwirtschaft ….?

Vor Kurzem protestierten Landwirte vor Supermärkten. Anlass: Dort wurde Milch zu einem Dumpingpreis verramscht, der unter dem Erzeugerpreis lag. Man kann den Protest verstehen, doch der Sachverhalt zeigt, mit Markt hat die Preisbildung im Agrarbereich nichts mehr zu tun. Beispiel: Die Tonne Weizen (hohe Qualität) notiert aktuell an der Minneapolis Grein Exchange, der größten Weizenbörse der Welt, bei 109 €. Die EU-Bauern bekommen 150 €, ein Subventionsplus von knapp 30%.

Solcherart Hochsubventionierung findet in fast allen Produktbereichen statt. Dadurch erklärt sich auch, dass die EU im Haushalt 2005 41,93 Mrd. € allein für die Landwirtschaft eingestellt hat, 37,29 Mrd. € davon reine Subventionen. Die Landwirtschaftssubventionen sind mit 40% der weitaus größte Ausgabenposten der EU. Auch deutsche Bauern profitieren davon, wenngleich in der gesamten Landwirtschaft in Deutschland nur 130.000 Vollzeitbeschäftigte, die nicht zur bäuerlichen Familie selbst gehören, in Brot und Lohn stehen. Alle Landwirtschaftsleistungen machen gerade einmal 1,05% der Bruttowertschöpfung in Deutschland aus, Tendenz fallend. Auch die Zahl der Beschäftigten nimmt ab. Am größten EU-Haushaltsposten ist Deutschland „satt“ beteiligt. Wir sind der größte Nettozahler.

Kurz: Der Agrarmarkt ist kein Markt. Wäre er einer und müßten sich die EU-Erzeuger auf dem Weltmarkt behaupten, bliebe eine sehr kleine Zahl von Betrieben übrig. Eine solche Entwicklung wäre allerdings nicht zu verantworten, verlören wir doch die strategisch nicht unwichtige Quote an Eigenversorgung. Doch eben dieses Argument gilt auch für die deutsche Steinkohle. Sie ist neben der Braunkohle die einzige strategische Energiereserve, die wir haben.

Kennt Frau Merkel diese Parallelität nicht? Sie kennt sie. Doch wider besseres Wissen gibt sie den Landfrauen eine Besitzstandsgarantie, die sie und andere aus ihrer Partei den Kumpeln verweigert. Warum? Die Erklärung ist recht einfach. Es ist Bundestagswahlkampf. Die ländliche Bevölkerung wählt traditionell konservativ. Da darf man keine Irritationen in die Welt setzen.

Perspektivist ist das Merkel-Versprechen allerdings nichts wert. Die EU hat auf dem Gipfel 2000 in Lissabon beschlossen, ihre Mittel weitaus stärker als bisher auf Wachstumskräfte zu richten: Wissenschaft, Forschung, Bildung. Da geht es nicht an, dass 40% allein in Subventionen für die Landwirtschaft fließen, zumal der Gesamthaushalt nicht ausgeweitet werden soll. Es wird Abstriche bei den Agrarsubventionen geben müssen und zwar drastische. Das verschweigt Frau Merkel aus taktisch kurzfristigem Eigeninteresse tunlichst. Sie misst mit zweierlei Maß.